Quelle: handball-world.com
Auf dem Weg zum Spiel mit Daniel Wessig
von Laura Knöll:
Am heutigen Mittwoch ist es wieder soweit: Daniel Wessig wird sich auf den Weg in die SparkassenArena machen, zu Gast in Balingen werden die Rhein-Neckar Löwen sein. Das übliche Programm vor einem Spiel wird ablaufen und der ruhige Zwei-Meter-Hüne dann wenige Minuten vor Spielbeginn eine andere Seite seiner Persönlichkeit zeigen. Laura Knöll hat diese Verwandlung miterlebt, sie erlebte mit Daniel Wessig im Dezember die letzten Stunden vor der Begegnung gegen den Bergischen HC und stellte handball-world.com die sich daraus ergebende Reportage zur Verfügung.
Kurz vor Weihnachten, der 22. Dezember um 17:45 Uhr. Eine Wohnungstür öffnet sich und ein zwei Meter großer Mann steckt seinen Kopf durch den Spalt. Es ist der 23-jährige Daniel Wessig, Sportstudent an der Universität Tübingen und Handballspieler in der Bundesliga. Er trägt Jeans und ein blaues T-Shirt, dazu weiße Socken und Badelatschen. Nach einem freundlichen "Servus" geht es in die modisch eingerichtete Wohnung. Der Druck ist groß, doch Daniel Wessig wirkt gelassen. Dabei beginnt in zwei Stunden für ihn und seine Mannschaftskollegen ein wichtiges Spiel gegen den Bergischen HC.
Der Druck ist groß, denn der BHC steht kurz vor einem Abstiegsplatz und die Balinger könnten mit einem Sieg ins gesicherte Mittelfeld vorrücken - ein großer Schritt in Richtung des Ziels "Klassenverbleib" ist möglich und wird von den heimischen Fans erwartet. Von Nervosität aber keine Spur. Bei einem Kaffee plaudert der Zweimetermann ganz unbefangen über Freunde und Familie - das Spiel scheint im Hintergrund.
Außer einem ordentlichen Mittagsessen habe er keine Rituale vor den Begegnungen und auch sonst sieht Daniel alles nicht verbissen, sondern eher mit einem sportlichen und freundschaftlichen Kampfgeist. "Socken, Handtuch, Schuhe ...", murmelt er vor sich hin und nachdem er sein lässiges T-Shirt gegen ein schwarzes Jackett mit HBW-Logo auf der rechten Brust eingetauscht hat, bricht er gegen 18.30 Uhr auf in Richtung SparkassenArena. Dort angekommen geht es durch den Hintereingang die Treppen hinab und links in einen langen, orangefarbenen Gang.
Links befindet sich die Tür der Gegner, rechts der Erste-Hilfe Raum mit der ironisch wirkenden Aufschrift "Dopingraum". Ganz am Ende des Ganges auf der linken Seite ist die Kabine der Gastgeber. Daniel begrüßt alle entgegenkommenden Menschen per Handschlag, es wird gelacht, ein kurzes Schwätzchen gehalten und freundschaftlich auf die Schulter geklopft. Die in Schlagzeilen ab und an als die "Rüpel" der Bundesliga bezeichneten Balinger wirken "handzahm". Das Umfeld familiär und der Blick in die Kabine zeigt eine ruhige, gelassene Mannschaft, die wie die Hühner auf der Stange auf den Bänken sitzen. Draussen laufen unterdessen die letzten Vorbereitungen.
Noch wenige Minuten bis zum Spiel. Die Kabinentür der Balinger öffnet sich, die Spieler begeben sich zum Aufwärmen auf das Spielfeld. Während die einen starr geradeaus schauen und andere den Blick auf den Boden gerichtet haben, zeigt Daniel Wessig einen entspannten Gesichtsausdruck. Er klatscht die "Bodenjungs" ab, begrüßt Umstehende mit einem Klaps und gibt schließlich das Signal für einen Kreis mit seinen Mitspielern. Die Miene weiterhin entspannt, die Finger unterdessen teils mit Tape umwickelt und ohne größeres Augenmerk auf dem Gegner. "Vor dem Spiel begrüßen wir uns als wären wir alte Freunde, während dem Spiel aber sind die Gegner alles andere als Freunde. Doch danach ist meist wieder alles in bester Ordnung", sagte Daniel Wessig vor der Partie.
Der Spielbeginn rückt näher und bei Wessig zeigt sich eine neue Facette: Der vorher ruhige, schon fast zurückhaltende zwei Meter Hüne zeigt ein wenig Nervosität: Er schüttelt seine Beine aus und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Die Oberschenkel werden wachgeklopft und die Arme ausgeschüttelt. Ein Pfiff von Coach Dr. Rolf Brack ertönt und die Mannschaft verschwindet zum letzten Mal vor dem Spiel in die Kabine. Man hört Applaus und Motivationsschreie aus dem für Außenstehende geheimen Raum.
Die Spieler laufen ein und während einige Mitspieler aufgeregt und mit einem selbstmotivierenden Schrei das Feld betreten, wirkt er konzentriert und ruhig - scheint im sprichwörtlichen Tunnel. Er gibt seinen Kollegen noch letzte Anweisungen und wischt sich den Schweiß von seinen Händen. Ein letztes Mal schüttelt er die Beine aus, zuckt mit den Fingern und feuert per Klatschen sein Team an. Der "Motivator" gibt sein Bestes.
Als der Anpfiff ertönt und das Spiel des HBW Balingen-Weilstetten gegen den Bergischen HC beginnt, zeigt Wessig eine laute, aggressive Seite - eine ganz andere Körpersprache als noch wenige Minuten zuvor. Sechzig Minuten bebt die SparkassenArena, Balingen gewinnt 23:22. "Boah, war das wieder geil", sagt Daniel Wessig und verschwindet gleich wieder, um Leute zu begrüßen und Glückwünsche entgegenzunehmen.
Info:
Ebenfalls auf handball-world.com ist heute ein Interview mit unserem Torhüter Matthias Puhle erschienen. Hier gehts zum Artikel...